Jahrzehntelang gingen offizielle Stellen der USA davon aus, dass der Korruption eine zentrale Bedeutung im Organisierten Verbrechen zukomme und sie daher unverzichtbare Voraussetzung für die Existenz und den Fortbestand des Phänomens sei. Zum Teil wurde sogar angenommen, durch die Korruption sollte Staat und Regierung "nullifiziert" werden.
Dies wirft zugleich zwei Fragen auf. Zum einen ist zu klären, welche Ziele konkret durch die Korruption verfolgt werden und zum anderen, ob sie unabdingbare Voraussetzung für Organisierte Kriminalität ist.
Die Idee, dass es Ziel des Organisierten Verbrechens sei, den Staat zu nullifizieren, stammt noch aus Zeiten, in denen zahlreiche US-Politiker die Meinung vertraten, es handle sich bei dem Phänomen um ein fremdländisches Geschwür, das die amerikanische Gesellschaft völlig unterwandern wollte. Interessanterweise findet sich aber auch in den offiziellen Schriften jener Zeit eine unterschiedliche Diktion. So wurde im Bericht der Präsidenten Kommission von 1967 an anderer Stelle nicht der Terminus des "Nullifizieren", sondern der des “Neutralisierens“ gebraucht, was die Ziele der Korruption sicher treffender beschreibt.
Während der Nullifikation des Staates die Umkehrung oder völlige Abschaffung des rechtlichen Gebildes bedeuten würde und eine Regierung letztlich überflüssig wäre, stellt die Neutralisierung lediglich eine Modifizierung des politischen Prozesses dahingehend dar, dass es in bestimmten Bereichen nicht zur Durchsetzung der Gesetze kommt. Gerade die Geschäfte des Organisierten Verbrechens sind aber häufig von gut funktionierender wirtschaftlicher und staatlicher Tätigkeit abhängig. So ist Voraussetzung für viele der Taten der Existenz verbietender und zumindest teilweise durchsetzbarer Gesetze. Erst wenn der Handel mit bestimmten Waren, nach denen eine gesellschaftliche Nachfrage besteht, verboten ist, beginnt der Schmuggel und neue illegale Märkte entstehen.
Des weiteren sind viele der Delikte von einem normalen Wirtschaftskreislauf abhängig, da ein solcher ihre Begehung erst ermöglicht. Erwähnt seien hier beispielsweise die Unterwanderung der Gewerkschaften, Subventionsbetrügereien oder Geldanlagen in legalen Unternehmen etc...!
Aber auch für die Organisationen selbst kann das Vorhandensein einer starken staatlichen Gewalt von Vorteil sein. Den Behörden kommt dabei die Rolle des Beschützers bestimmter Märkte zu. Dabei werden staatliche Stellen dazu benutzt, Konkurrenz zu verhindern oder der Gruppe den Einstieg in neue Märkte zu erleichtern. Letztlich dient die staatliche Gewalt damit auch der Stabilisierung des illegalen Marktes. Ebenso wie die legale Wirtschaft von klaren politischen Verhältnissen abhängig ist, sind es daher auch illegale Unternehmen. Sie gebrauchen staatliche Macht, um eine Marktstellung zu erlangen, den Markt zu stabilisieren und gleichzeitig potentielle Konkurrenten zu bekämpfen.
Zur Frage, ob die Korruption unabdingbare Voraussetzung für Organisiertes Verbrechen ist, gibt es keinen einheitlichen Konsens.
Während die einen sie als essentiell für das Überleben des Phänomens sehen, halten andere die Schätzungen über das Ausmaß der Korruption für völlig übertrieben. In einer 1990 von Edelhertz und Overcast durchgeführten Studie, bei der sowohl offizielle Daten analysiert als auch zahlreiche Angehörige von Ermittlungsbehörden und Staatsanwaltschaften interviewt wurden, zeigte sich keine Übereinstimmung in dieser Frage.
Zum Teil würde die absolute Notwendigkeit der Korruption mit der Argumentation verneint, dass das Organisierte Verbrechen einfach nicht die Kapazität habe, systematisch Regierungsbeamte und andere Behörden zu korrumpieren.
Andere waren davon überzeugt, dass die Korruption das wichtigste Instrument der Machtausübung des Organisierten Verbrechens sei und es ohne korrupte Beamte nicht existieren könne, da es sonst von den Strafverfolgern "auseinandergenommen" würde.
Für die widersprüchlichen Ergebnisse wurden sowohl die Art der Untersuchung, die sich in vielen Fällen nur auf traditionelle Gruppen bezog, als auch die unterschiedliche Abhängigkeit einzelner Delikte von der Korruption verantwortlich gemacht.
Damit wird deutlich, das die Notwendigkeit der Korruption durchaus deliktabhängig sein kann. Während vor allem herkömmliche, schlecht zu verbergende Bereiche wie die Prostitution oder bestimmte Arten des Glücksspiels in der Vergangenheit zum Teil der Mitwirkung ganzer Behörden bedurften, sind andere Delikte weit weniger abhängig von staatlicher "Hilfe".